Carrusel – das erste Jahr
Zusammen kommen!
Zusammen kommen – das war der Leitsatz des ersten Jahres mit Carrusel!
Nachdem er mit knapp fünf Jahren aus Spanien zu mir kam, stand für mich zunächst der Aufbau einer Beziehung im Vordergrund. Wir lernten uns gegenseitig kennen, die Eigenheiten und Reaktionen des jeweils anderen, die Vorlieben und Abneigungen. Carrusel machte Bekanntschaft mit dem Leben in Deutschland, ohne Gewächshäuser (er wurde in Almeria groß), dafür mit vielen lustigen Dingen wie Motorrädern, Baggern hinter Bauzäunen und Schwarzwälder Füchsen.
Ich lernte, wie der Knirps denkt und wie er die Welt wahrnimmt. Da er das große Glück hatte, erst mit vier Jahren in einen Verkaufsstall zu kommen und dort auch nur am den Boden in guter Horsemanship-Manier sanft an den Menschen gewöhnt wurde, ist er allem Neuen gegenüber offen und neugierig, hat noch keine prägenden schlechten Erfahrungen gemacht und muss keine Traumata verarbeiten. Daher steckt er auch überall seine Nase hinein und will alles genauestens untersuchen. Das ist einerseits gut, denn er ist aufgeschlossen, andererseits gibt es aber auch so viele tolle Dinge jenseits von innerem Zügel und äußerem Schenkel. Sprich, der erste Schritt bestand und besteht darin, eine kommunikations- und Lernatmosphäre zu finden und aufrecht zu erhalten.
Kommunikation beruht auf der gegenseitigen Bereitschaft, mit dem jeweils anderen zu interagieren. Ein grundsätzliche Zugewandheit und das Interesse am Kommunikationspartner und dessen Mitteilungen müssen die Grundlage sein. Da Carrusel wie viele Andalusier sehr menschenbezogen ist, bringt er ein grundsätzliches Interaktionsinteresse schon mit und ist jederzeit zu Schandtaten bereit. Aber eher im Sinne, alles und jeden in seine Spiele zu intergrieren 😉 Also begannen wir mit der Basic-Work, um diese Kommunikationsbasis auszubauen und ein Verhältnis aufzubauen, in dem ich auch die Rolle des Ausbilders einnehmen kann und er sich auf meine Anfragen konzentriert und sie zu interpretieren beginnt. „Stay focussed“ ist unsere größte Herausforderung, denn der Struwwelpeter interessiert nicht nur für mich und den Keksbeutel, sondern auch in großem Maße für alles andere, was um ihn herum passiert 🙂 Damit keine Langeweile aufkommt, stehen auch viele Spaziergänge, Freiarbeit sowie Spielstunden mit Regenschrimen und Plastikplanen auf dem Programm.
Das Interesse erhalten über eine spielerische und abwechslungsreiche Arbeit, den Spaß nicht vergessen und trotzdem die Ziele anvisieren, die Balance zwischen Konzentration und Relax finden, das ist die größte Aufgabe gewesen und wird es auch noch lange bleiben.
Nach und nach fließen auch immer mehr Elemente der gymnastizierenden Bodenarbeit mit ein, ich führe Schritt für Schritt die Hilfen ein und bringe ihn in die Balance. Dabei muss ich immer darauf achten, ihn nicht zu überfordern. Überforderung führt bei Pferden wie Carrusel zu Übersprungshandlungen und Frustration, denn einerseits möchte er alles richtig machen und bietet viele verschiedene Lösungen für meine Anfrage an, kann aber nicht lange über eine Sache nachdenken. So ist es das Ziel, eindeutige und lösbare Fragen zu stellen, ihn nicht zu verwirren und motiviert zu halten.
Diese Arbeit macht großen Spaß, denn auch ich lerne jedes Mal etwas Neues, über mich, über Carrusel und über die akademische Reitkunst!
Daran möchte ich euch teilhaben lassen, daher werde ich künftig meine „Tagebuch“-Einträge in meinem Blog mit euch teilen!